Auf Namaycush im Engadin

// Von LEONARD SCHOENBERGER
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Leonard Schoenberger
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Die Hochsommerzeit ist in vielen Regionen der nördlichen Hemisphäre eine besonders schöne Zeit zum Fliegenfischen. Zum Beispiel in der Schweiz, wo hochalpine Seen Populationen von Namaycush beherbergen.

Dieser Süßwassersaibling, der angeblich vor mehr als 100 Jahren aus Nordamerika nach Europa gebracht wurde, kann in Seen auf über 2500 Metern über dem Meeresspiegel überleben. Da die Sommer hier oben sehr kurz sind, müssen die Fische in kurzer Zeit viel fressen. Sie mit der Fliege zu überlisten ist jedoch eine große Herausforderung, da das Wasser meistens kristallklar ist und die Fische somit sehr gut sehen.

Oft sind die kleinen Gewässer hoch in den Bergen erst Ende Juni oder Anfang Juli eisfrei. Die meisten von ihnen sind so weit oben, dass die Chance, einen Namaycush zu fangen, oft mehrere Stunden Wanderung bedeutet. Wir begannen unseren Aufstieg vom Haupttal des Unterengadins, wo der Inn unweit seiner Quelle am Malojapass bei St. Moritz noch ein wilder Bach ist.

Fliegenfischen Engadin für Namaycush
Fliegenfischen auf Namaycush im Engadin

Harte Arbeit für einen Namaycush

In den kleineren Seitentälern gibt es meistens Forststraßen, die von den Bauern vor Ort genutzt werden, um zu Beginn und Ende des Sommers ihre Rinder und Schafe die Berge hinauf und hinunter zu treiben. Das Wandern auf diesen Straßen ist vergleichsweise einfach. Da wir früh am Morgen los marschierten, waren die hohen Temperaturen noch kein Problem. Als die Straße steiler wurde, verwandelte sie sich in einen Fußweg auf etwa 2000 Metern über dem Meeresspiegel.

Die Sommer sind in diesen Tälern kurz. Alle Wildtiere müssen das Beste aus den warmen Temperaturen machen. Die Vielfalt an Wildblumen und Sträuchern ist erstaunlich und etwas, das ich so hoch oben in den Alpen nicht erwartet hatte. Bald darauf endete der Fußweg und von nun an ging es querfeldein hinauf bis zu einem Bergrücken, wo laut der Karte in meiner Hand die beiden kleinen Seen liegen sollten, die ich befischen wollte.

Auf der Suche nach Namaycush in den Schweizer Alpen
Auf der Suche nach Namaycush in den Schweizer Alpen

Wir waren nun seit etwa zwei Stunden auf den Beinen und die Temperaturen stiegen kontinuierlich an. Selbst auf ca. 2300 Metern spürten wir die Hitze am steilsten Teil des Aufstiegs. Aber es dauerte nicht lange, bis wir den Grat erreichten und zumindest einen der Seen sehen konnten, die wir zum Fischen auf Namaycush ausgesucht hatten. Als wir jedoch beim ersten ankamen, konnten wir keinen einzigen Fisch entdecken und beschlossen daher, stattdessen ein kühles Bad zu nehmen.

Zum Glück war auch der andere kleine See schon in Sicht und als ich näher kam, konnte ich schon einige Fische steigen sehen – ein gutes Zeichen nach dem harten Aufstieg. Ich setzte mich auf ein kleines Plateau ein paar Meter oberhalb des Sees, um eine bessere Sicht zu haben und zu versuchen, das Muster der steigenden Fische zu verstehen. Während ich meine Ausrüstung vorbereitete, schaute ich immer wieder auf die Oberfläche des Sees, die zu meiner Unzufriedenheit spiegelglatt in der gleißenden Sonne lag. Zwei Faktoren, die das Fischen im ginklaren Wasser sicherlich nicht einfacher machen würden.

Jagd auf Namaycush an einem Alpensee
Jagd auf Namaycush an einem Alpensee

Taktiken für den Erfolg ändern

Ich duckte mich vorsichtig hinter einen großen Felsen am Rand des Wassers, um zu versuchen, die Fische nicht zu spooken. Ich hatte ein paar Namaycush das Ufer entlang ziehen sehen. Zuerst versuchte ich es mit einer kleinen Trockenfliege. Allein die Präsentation war schwierig, da die Schnur und sogar das 14er Vorfach einen Schatten auf den Grund des Sees warfen. Es gelang mir, die Aufmerksamkeit einiger Fische auf mich zu ziehen, aber alle schreckten vor der Fliege zurück, als sie bis auf wenige Zentimeter herankamen.

Auf der Suche nach Schutz hinter einem Felsen auf der Suche nach Namaycush
Auf der Suche nach Deckung hinter einem Felsen

Das nächste Muster, das ich aus meiner Fliegenbox zog, war ein ziemlich schwerer Streamer. Ich hatte vor, ihn tief unten näher am Grund des Sees zu präsentieren, wo ich den einen oder anderen besseren Fisch gesehen hatte. Ich hatte auch den Durchmesser des Vorfachs verringert, um seine Sichtbarkeit weiter zu reduzieren. Anderer Ansatz, gleiches Ergebnis. Obwohl es mir gelang, die Aufmerksamkeit einiger Fische zu erregen, entschied sich keiner von ihnen, meine Fliege zu nehmen.

namaycush
Wooly Bugger auf einer Vintage Wheatley Fly Box

Ich begann meinen Spot zu verlassen und wanderte um den Rand des kleinen Sees herum, um vielversprechendere Plätze zu finden. Auf der gegenüberliegenden Seite floss ein kleiner Bach aus dem See. Ich näherte mich langsam dieser Zone, da ich dachte, dass das schneller fließende Wasser mir eine bessere Chance geben würde, einen Fisch zu haken. Als ich näher an die Stelle kam, an der der Bach den See verließ, sah ich Dutzende kleiner Fische, die nach Wasser mit einem höheren Sauerstoffgehalt zu suchen schienen. Ich beobachtete angespannt meine ersten Würfe, aber nichts geschah, nicht einmal ein kleiner Namaycush nahm meine Fliege.

Fliegen, um einen Namaycush zu fangen
Fliegen in einer alten Wheatley Box

Das letzte Ass im Ärmel war ein kleines Nymphenmuster, das ich schon einmal erfolgreich in alpinen Gewässern gefischt hatte. Ich ließ es langsam nach unten sinken und plötzlich spannte sich die Schnur. Als er an die Oberfläche kam, stellte ich fest, dass er nicht so groß war, wie ich anfangs gedacht hatt, aber immer noch ein schönes Exemplar.

Nach einem guten hausgemachten Mittagessen fischte ich noch etwas in den Nachmittag hinein. Aber da die Sonne fast senkrecht stand und regelrecht aufs Wasser brannte, konnte ich keine weiteren Fische von meinen Mustern überzeugen. Da wir etwa drei Stunden zu Fuß zurück zu unserem geparkten Auto laufen mussten, beschlossen wir, es dabei bewenden zu lassen und den Rückweg anzutreten.

Zurück in unserem Haus konnte ich die Anstrengungen des Tages spüren, die wir in die Suche nach diesen schönen Fischen gesteckt hatten. Ich ließ meine Gedanken zurück zu dem klaren Wasser schweifen, das von Gipfeln umgeben war, die über 3000 Meter hoch aufragten. Dies war der klassische Fall, an dem sich ein Fischtag trotz geringer Ausbeute großartig anfühlen kann.

Schau dir unser Porträt über den Engadiner Rutenbauer Renato Vitalini an (auf englisch)